Wolfram Graf/Pikap Quartett – Kammermusik II

 

Farbe, Form und Klang

Bereits bei meinen Vorbereitungen zur im März 1990 erfolgten Gründung des Kunstvereins Hochfranken Selb e. V. Ende der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts war mir klar, dass der Verein immer wieder auch spartenübergreifende Aktivitäten entwickeln sollte. So wurden für das Millenniumsprojekt „Grenzüberschreitungen“ 1999/2000 neben acht Malern und Malerinnen von vorne herein auch eine Literatin und ein Komponist einbezogen. Nach einer gemeinsam verbrachten Woche aller Beteiligten im September 1999 erfolgte dann die Aufarbeitung der dort gewonnenen Eindrücke mit der darauf folgenden Präsentation im Frühjahr 2000. Wolfram Graf schuf hierfür sein Streichquartett „Begegnungen“, auch „Selber Quartett“ genannt. Neben Stimmungen, die sich aus den verschiedenen Situationen mit dem Menschenkreis ergeben hatten, lieferten vertonbare Buchstaben aus den Namen der Beteiligten sowie eindrucksvolle Erlebnisse dieser gemeinsamen Woche (Besuche von Steinbruch, Porzellanikon, Fabriken u.a.m., aber auch Kennenlernen von Menschen vor Ort und der Landschaft um Selb) die Basis für die Komposition.

Fast fünfzehn Jahre später erhielt Graf den Auftrag, drei Bilder aus der Kunstsammlung des Vereins zu „vertonen“. Daraus entstand das Klavierquintett „Bewegungen“, zunächst mit drei Sätzen. Da sich ein vierter Satz zur Abrundung und zum Abschluss dieser Komposition förmlich aufdrängte und von den Verantwortlichen des Kunstvereins sowie von den Musikern des PiKap-Quartetts gewünscht wurde, entstand dieser kurze Zeit später auf ein neu geschaffenes Bild des Künstlers Jan Samec.

Aufgrund der guten Zusammenarbeit und der gewachsenen Freundschaft zwischen dem Kunstverein Hochfranken Selb und dem Komponisten Graf widmete uns dieser unaufgefordert die Komposition seines Klaviersolos „Collage“, in welchem einige Themen der ersten drei Sätze aus Opus 212 neu verarbeitet wurden.

Hans-Joachim Goller

 

Wolfram Graf

Wolfram Graf studierte Klavier an der Musikhochschule in Karlsruhe, Orgel und Komposition in Saarbrücken sowie Musikwissenschaft, Religionswissenschaft und Ethnologie an der Universität Bayreuth. Promotion im Jahr 2002. Auftritte als Pianist und Konzertorganist in vielen europäischen Ländern und in den USA. Grafs kompositorisches Schaffen reicht von Kammermusik und Liedern bis hin zu symphonischen Werken, Solokonzerten, Oper und Oratorium. Mehrere Kompositionspreise. CD-, Rundfunk- und Fernsehaufnahmen. An der Universität Bayreuth unterrichtete Graf Orgelliteraturspiel und musiktheoretische Fächer, an der Hochschule für evangelische Kirchenmusik in Bayreuth lehrt er Komposition. Gemeinsam mit Prof. Helmut Bieler ist er Mitorganisator der Konzertreihe „Zeit für Neue Musik“ in Bayreuth.

 

PiKap Quartett

Das im Jahr 2000 gegründete tschechische PiKap Quartett ist ein klassisches Streichquartett, dessen Spieler mit den Orchestern in Karlovy Vary und Pilsen verbunden sind. Neben dem klassischen Repertoire widmet sich das Ensemble der Pflege tschechischer Meister (z.B. Smetana, Dvořák, Janáček, Martinů), aber auch zeitgenössischer Musik. So entstand über die Vermittlung des Kunstvereins Hochfranken Selb e.V. seit dem Gründungsjahr eine enge Zusammenarbeit mit Wolfram Graf, von welchem sie die Uraufführungen des hier dokumentierten Streichquartetts „Begegnungen“ sowie des Klavierquintetts „Bewegungen“ in Selb spielten. Verschiedene Tourneen führten das PiKap Quartett in diverse europäische Länder wie die Bundesrepublik Deutschland, Italien, Frankreich, England oder Kroatien sowie mehrfach nach Island

 

Die vier Bilder der Komposition „Bewegungen“ in der Reihenfolge der Sätze

Vladimír Véla, Prag, „Halluzinationsobjekt – Paravent im Licht des Mondes II“, 2008, Acryl auf Leinwand, 150 x 100 cm

Dieses Bild entstand bei dem Projekt „Miteinander“ 2008, und da innerhalb des Workshops „ARTinART“. Die jungen KünstlerInnen suchten Anregungen in Werken aus der Sammlung der Galerie umění, Karlovy Vary, und reagierten auf ihre favorisierte Vorlage mit ihrer eigenen Kunstsprache und ihren künstlerischen Mitteln.

Vladimír Véla (geb. 1980) reflektierte das Bild „Kořeny u Černého jezera / Wurzeln am Schwarzen See“ (1934) von Jindřich Štyrský. Er wählt das Hochformat nahezu in doppelter Größe. Statt des Spieles von diversen Grüntönen mit Schwarz und Grau bis Weiß entschied er sich nahezu ausschließlich für das Blau in nicht sehr vielen Hell-Dunkel-Variationen. In den figürlichen Andeutungen hält er sich weitgehend an sein „Vorbild“.

Pavel Roučka, Prag, „Bei dem Steinbruch“, 2000, Acryl auf Leinwand, 130 x 90 cm

Anregung gab ihm 1999 bei dem Projekt „Grenzüberschreitungen“ der Schausteinbruch auf der Häuselloh. Der Großstädter Roučka (geb. 1942) hat sich eine tief in ihm verwurzelte Naturverbundenheit bewahrt. Die drückt er vortrefflich in seiner expressiven, aber auch reduzierten, Malweise aus. Großflächige Elemente in Braun- (die Granitformationen?) und in Blautönen (die Wasserfüllung?) wechseln sich ab mit kleinflächigen, farbenfrohen, Darstellungen. Der Phantasie der Betrachter wird freier Lauf gelassen: Es kann sich um Gerätschaften oder Werkzeuge handeln, um Bauwerke, aber auch nur um Farbelemente, um dem Bild eine bestimmte Struktur zu geben.

Lenka Maliská, Karlovy Vary, „Baden II“, 2008, Acryl auf Leinwand, 110 x 110 cm

Auch diese Arbeit entstand bei „Miteinander“ / „ARTinART“.

Lenka Maliská (geb. 1981) wählte als Ideengeber „Koupaní / Badende“ (1912) von Jan Preisler. In ihrer Darstellung nimmt sie die Haltung der am Rand des Weihers lagernden, sich abtrocknenden, Frauen auf, haucht sie aber förmlich nur auf ihre Leinwand. Eine Wiedererkennbarkeit – im Gegensatz zu Preisler – deutet sie nur in wenigen Teilen an. In der Farbgebung nimmt sie sich sehr zurück.

Jan Samec, Karlovy Vary, “Traumräume“, 2014/15, Acryl auf Leinwand, 135 x 90 cm

Schon seit vielen Jahren kooperiert der Kunstverein Hochfranken Selb mit Jan Samec (geb. 1955), der ein sehr vielseitiger Künstler ist und gleichzeitig der Direktor der Galerie der Kunst in Karlovy Vary und der Interaktiven Galerie Becher Villa. Inzwischen ist längst eine Freundschaft gewachsen. Das Bild schenkte er dem Kunstverein. Es zeichnet sich aus durch seine Lebendigkeit und seine Farbenfreude. Die Lust am Malen spricht aus ihm. Wie in unseren Gedanken vermischen sich freie Gedanken mit bestimmten Vorstellungen, Visionen, Bildern. So ähnlich schweben die Andeutungen von etwas Besonderem, etwas Bestimmtem, in der abstrakten Visualisierung der Landschaft des Bildes.

Hans-Joachim Goller

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